06.10.23 - Timo Kaluza

Chroniken eines IT-Entscheiders: So ticken sie wirklich!

Vom schamlosen Social Selling bis hin zu Salespitches im Blindflug.

Es gibt Tage, an denen man das Gefühl nicht los wird, dass einige Vertriebler, IT-Entscheider eher aus Mythen und Sagen kennen als aus eigener Erfahrung. Social Selling wird dann schnell zur plumpen Akquise über LinkedIn – von ehrlichem Interesse am Kennenlernen des Gegenübers oder gar Beziehungsaufbau keine Spur. Ein ungefragter Salespitch jagt den Nächsten und diese sind dann oft auch einfach nur in Schema F gepresst. Diese Taktik scheinen zahlreiche Verkäufer auf den IT-Vertrieb übertragen zu haben. Hauptsache der Pitch wurde abgefackelt; der Kontakt gemacht. Am Ende steht in der Vertriebssoftware dann nur eine Zahl, die den Salesmanager vielleicht zufrieden stellt. Blickt man tiefer, findet man hier Unzufriedenheit auf beiden Seiten.

Besonders deutlich wurde das, als ich kürzlich einen alten Freund wiedergetroffen habe. Seines Zeichens bis vor kurzem noch IT-Entscheider bei einem großen Konzern (heute selbstständig als OT-Security Experte).

Als er die Anekdotenschatulle öffnete, fand ich mich in vielen meiner Thesen bestätigt. Nicht zuletzt deshalb saßen wir bis halb 4:00 Uhr morgens zusammen. Solche Themen sind für mich spannender als jeder Krimi. Die Perspektive zu wechseln und zu verstehen, wie die “Kundenseite” so tickt, ist pures Gold. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen: Es ist Pflicht für jeden Verkäufer und Marketer sich regelmässig damit zu befassen.

Bei xquer gehen wir sogar noch einen Schritt weiter: Unser Ziel ist es nicht nur unsere Kunden zu kennen wie unsere Westentasche, sondern auch deren Kunden. Wenn wir es mit einem Hersteller zu tun haben geht es hier sogar noch weiter. Vom Hersteller, über den Distributor, Reseller bis hin zum eigentlichen Endkunden sind die Ketten hier durchaus lang. Alle Parteien haben unterschiedliche Handlungsmotive, Probleme und Ziele, die verstanden werden müssen, um eine gezielte Ansprache zu ermöglichen.

Warum wird sich in der Praxis aber meist so selten mit dem Kunden befasst?

In vielen Fällen scheint man eher die “Schlagzahl”, also die Anzahl der gemachten Kontakte, im Blick zu haben, als die Qualität. Genau das aber führt zu verlorenen Chancen und wirkt sich negativ auf den eigenen Ruf aus, wie die nachfolgenden Zeilen noch beweisen werden.

Zurück zum Anfang

Mein Freund begann seine Karriere als Fachkraft in der IT. Über die Jahre arbeitete er sich bis zum Head of OT SOC bei einem Energiekonzern hoch. In dieser Rolle hatte er natürlich auch mit externen Dienstleistern zu tun und teilte seine Eindrücke.

Vor allem frustrierte ihn die Tatsache, ständig auf LinkedIn kalt angesprochen zu werden. Jeder wollte ihn für eine Produktdemo gewinnen…

„Das nervt ungemein. Wir haben bereits eine Roadmap, also weiß ich, was in den nächsten Monaten oder im nächsten Jahr umgesetzt werden soll. Jeder kommt mit dem gleichen Standard-„Pitch“ um die Ecke. Für zufällige Demos gibt es weder Zeit noch Bedarf. Ich hatte nie das Gefühl, als Kunde gesehen zu werden, und Dienstleister schienen nicht wirklich helfen zu wollen. Es schien nur darum zu gehen, ein Gespräch zu führen und einen Haken auf der Aufgabenliste zu setzen. Ich verstehe, dass wir alle am Ende des Tages etwas verkaufen müssen, aber auf diese Weise wird es nicht funktionieren. Es ist aber auch nicht so, dass ich jeden Kontakt pauschal ablehne. Im Gegenteil: Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde ich auf einen individuellen Ansatz anspringen, bei dem man sich vorher mit meinen Anliegen auseinandergesetzt hat und gezielt Mehrwert bietet.“

In seiner Selbstständigkeit arbeitet er für verschiedene große Kunden wie namhafte Luftfahrtunternehmen aus Norddeutschland oder einen der größten Logistikanbieter des Landes. Auch in dieser Rolle muss er immer wieder externe Anbieter auswählen und koordinieren. Doch auch hier läuft nicht alles reibungslos nach Plan – selbst dann nicht wenn die altehrwürdigen “Riesen” der IT-Systemhäuser am Werk sind.

Death by Powerpoint

„Wir waren an einer Lösung für ein spezifisches Problem interessiert. Bevor wir potenzielle Anbieter in die engere Auswahl genommen haben, haben wir zunächst unser Anforderungsprofil im Detail ausgearbeitet. Auf dieser Grundlage haben wir selbst Recherchen durchgeführt und zwei Hersteller als die besten Lösungen für unser Problem identifiziert. Mit diesen Informationen sind wir auf eines der größten Systemhäuser zugegangen und haben uns die Lösungen noch einmal präsentieren lassen. Weißt du, wie das ablief? Sie präsentierten uns monoton 30 Standard-Powerpoint-Folien, von denen etwa 20% auf unser Problem bezogen waren und 80% überhaupt nicht relevant waren. Am Ende waren wir noch verwirrter als zuvor. Und das, obwohl ich mich in den Themen wirklich auskenne. Es ging so weit, dass ich mich erneut mit beiden Herstellern beschäftigt und mir von ihnen jeweils direkt eine Demo geben lassen hab… Soll das wirklich “State of the Art” sein?“

Nach unseren Erkenntnissen ist genau das, leider kein Einzelfall. Wenn die Bequemlichkeit siegt, verliert oft der Deal an Wert. Es werden Standardpitches in Fachchinesisch vorgetragen ohne, dass sich vorher tatsächlich mit dem eigentlichen Problem des Kunden befasst wurde. Wieder beschleicht einen das Gefühl, dass es nur um die Anzahl der gemachten Kontakte geht, statt darum, einem Kunden ersthaft zu helfen und ein Problem zu lösen. Das leider häufige Resultat: Die Zeit ist weg. Das Problem noch da. Der Frust steigt.

Ich unterstelle an dieser Stelle mal, dass das in den meisten Fällen keine böse Absicht der Vertriebler ist. Im Gegenteil – ich bin davon überzeugt, dass es da draußen viele gute Vertriebler gibt, die tatsächlich helfen wollen und überzeugt sind, dass das mit ihrer angebotenen Lösung möglich ist.

Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht, wie man so schön sagt. Fakt ist nämlich, dass das eigentliche Problem des Kunden leider häufig gar nicht erkannt wird, weil man zu wenig Zeit mit dem Kunden verbringt.

Fazit – Was können wir daraus lernen?

  1. Kunden wissen oft, was sie wollen und sind besser informiert denn je. Dieses Wissen können wir nutzen, indem wir die sogenannten “Informationsphasen” aktiv in unseren Marketingplan mit einbeziehen. Damit nimmst du das Marktsegment “problem aware – solution unaware” (zu deutsch: Problembewusst – Lösungsunbewusst) ins Visier. Der Kunde kennt sein Problem aber keine potentielle Lösung. Dieses Stadium macht übrigens mindestens 20% des Gesamtmarktes aus! Die Stufe davor (”problem-unaware – solution-unaware”) macht sogar ganze 60% aus! Zusammengenommen liegen wir damit schon bei in Summe 80% Marktvolumen. Das ist beachtlich! Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass sich die meisten Markteilnehmer nur auf die bereits kaufwilligen Kunden stürzen (lediglich 3 Prozent des Marktes!). Am Beispiel meines Freundes sehen wir außerdem noch etwas Spannendes: Bevor er in der Rolle des Teamleads war, war er eine “ganz normale Fachkraft” und daher (weil er kein Entscheider war) nicht im Visier der meisten Vertriebsstrategien. Durch einen Positionswechsel (Beförderung), hat sich das schlagartig gewandelt. Das ist bei Leibe kein Einzelfall. Wohl dem, der eine ganzheitlich Marketingstrategie verfolgt und alle Marktsegmente in seiner Marketingstrategie frühzeitig adressiert!
  2. Generische Standardansätze führen nicht weiter und können sogar den Deal gefährden. Präsentiere deinem Kunden nicht einfach eine generische Standardlösung. Gehe auf das Anforderungsprofil ein. Wenn keines vorliegt, erfrage es im Vorfeld. Gehe anhand des Anforderungsprofils präzise darauf ein, was dein Produkt für deinen Kunden tun kann und wie sich seine Situation danach verändert haben wird. Es geht gar nicht darum, jedem Kunden eine hochindividuelle Lösung anzubieten. Oft reichen schon kleine Anpassungen an deinem “Standard”, die am Ende eine große Wirkung entfalten.
  3. Social Selling funktioniert, aber nur, wenn es richtig angegangen wird. Bevor es zur Attacke geht – mach deine Hausaufgabe und lerne zu verstehen, wie dein Wunschkunde überhaupt tickt. Was beschäftigt ihn im Businessalltag? Oft ist es gar nicht so schwer, das rauszufinden. Postings deiner Wunschkunden auf LinkedIn und Co sind hier eine wertvolle Informationsquelle. Studiere sie vorab ein wenig und schau, ob du hier wirklich helfen kannst.
  4. Qualität vor Quantität. Gerade in vollen Märkten gilt: Die Anzahl der Kontakte ist wichtig, aber bitte nicht auf Kosten der Qualität. Seid keine Zeitdiebe und bietet echten Nutzen. Wenn dein Mehrwert nicht sofort greifbar ist, lass uns darüber sprechen, um ihn gemeinsam zu erarbeiten.

AUTOR

Timo Kaluza

Timo, ein Unternehmer mit Leidenschaft für Marketing und Vertrieb, bringt über zehn Jahre Unternehmenserfahrung und umfassendes Fachwissen in seine Artikel ein. Als Gründer von xquer ist sein Fokus stets auf den nachhaltigen Erfolg unserer Kunden gerichtet und kann Lesern wichtige Einblicke bieten.

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